Ode an Ninfeo Mio

Eau de Toilette von Annick Goutal

„Pflanzendüfte sind wie Musik für unsere Sinne“                                                                            Altpersisches Sprichwort 

Genau das hatte sich vielleicht auch Annick Goutal gedacht, als sie ihre zunächst als Pianistin eingeschlagene Laufbahn abbrach, um über weitere Umwege schließlich zu einer herausragenden Parfumeurin zu werden.

Aber von vorne: Vor einiger Zeit stand ich in meiner Lieblingsparfümerie in Esslingen und wollte mir nach Jahren endlich mal wieder einen neuen Duft gönnen. Ich wechsle nur äußerst selten und genauso ungern mein Parfum, da es für mich ein sehr persönliches Accessoire ist und ein neuer Duft so etwas wie einen Identitätswechsel darstellt. Aus diesem Grund habe ich auch nur maximal drei verschiedene Düfte zuhause. Mehr Identitäten würden mich nur stressen ;o)

Die Parfumberaterin hörte sich die Ausführungen zu meinem neuen Wunschduft geduldig an: sinnlich, zart, romantisch, frisch, hell… Sie nickte wissend mit dem Kopf, ging zielstrebig auf ein Regal mit wunderschönen antik anmutenden Glasflakons zu und nahm einen davon heraus. Sie sprühte etwas vom Inhalt auf eine Feder und gab mir diese zum Schnuppern. Mein erster Eindruck war: Wow, irgendwie so ganz anders, als alles bisher Dagewesene in meinem Repertoire. Leicht fruchtig-zitronig, mit einem Hauch Zeder und noch etwas, das ich nicht deuten konnte. Die Beraterin klärte mich darüber auf, dass es sich dabei um Feige handelte. Das Eau de Toilette hieß Ninfeo Mio von Annick Goutal.

Ich kann nicht sagen, was es genau war, dass ich nicht gleich zugeschlagen habe. Vielleicht wird man ja mit zunehmender Lebenserfahrung zurückhaltender? Oder anspruchsvoller? Oder einfach nur überlegter? Ich war jedenfalls komplett unentschlossen, ob es dieser Duft für mich werden sollte oder nicht – und ging ohne ein neues Parfum nach hause. Das Pröbchen, das ich mitbekommen hatte, ging wohl leider irgendwo in den Tiefen meiner Handtasche verloren…

Ein paar Monate später bekam ich von meinem Mann zum Geburtstag eben dieses Eau de Toilette geschenkt (er hat gute Connections zu meiner Lieblingsparfümerie…), mit der Bitte, die Verpackung zunächst nicht zu öffnen. Ich sollte stattdessen den Duft erst ein paar Tage lang mittels dem abgefüllten Mini-Fläschchen, das ebenfalls am Geschenk befestigt war, testen.

Ich trug Ninfeo Mio also in den darauffolgenden Wochen immer mal wieder auf und plötzlich wollte ich nicht mehr ohne sein. Dieser irgendwie eigensinnige und gleichzeitig elegante Duft hatte mich doch tatsächlich ganz langsam und zart verführt. Er zaubert mir seither immer ein Lächeln ins Gesicht, wenn ich ihn aufsprühe. Vermutlich ist es meine innere Sehnsucht nach dem Süden, dem Mediterranen, dem Leben in einem Garten umgeben von Zitronen- und Orangenbäumen, von Lavendel und Rosmarin und ewiger Sonne, die dieses Eau de Toilette in mir weckt.

Wie sagte Christian Morgenstern doch so passend:

Der Duft der Dinge

ist die Sehnsucht,

die sie uns nach sich erwecken.

Selbstverständlich habe ich das Geburtstagsgeschenk nicht mehr umgetauscht! Es war zwar keine Liebe auf den ersten Sprühstoß, sondern ein langsames Herantasten. Dafür ist meine Zuneigung zu diesem Produkt nun umso intensiver und dauerhafter.

Schön war es für mich außerdem zu erfahren, wie es zu dieser Kreation von Ninfeo Mio kam:

Unweit von Rom entdeckten Camille Goutal (die Tochter der 1999 verstorbenen Annick Goutal) und Parfumeurin Isabelle Doyen einen behüteten Garten Eden. Dieser Garten wurde auf den Ruinen der mittelalterlichen Stadt Ninfa nach englischem Vorbild gestaltet. Durch die bezaubernde Szenerie schlängelt sich in der Sonne schillernd ein Fluss – der Ninfeo. In ihm spiegeln sich die Bitterorangen- und Zitronenbäume, Zypressen und Feigenbäume. Reife Zitrusfrüchte und saftige Feigen erfüllen die Luft in diesem kleinen Paradies. Die New York Times ernannte ihn zu den schönsten romantischen Gärten.

Foto: Garten von Ninfa – Mit freundlicher Genehmigung der Fondazione Roffredo Caetani

Es ist einfach unglaublich, wie perfekt die beiden Parfumeurinnen diese Stimmung in einem Duft einfangen konnten!

Ein weinendes Auge gibt es aber bei aller Freude über das gefundene Glück aus dem Glaszerstäuber dennoch: Das Haus Goutal hat vor kurzem – warum auch immer – das Design der Glasflakons überarbeitet! Aus Marketing- und Verbrauchersicht absolut nicht nachvollziehbar! Sie reihen sich nun in das Heer der Massenprodukte ein und haben eines ihrer Alleinstellungsmerkmale definitiv verloren. Die neuen Flaschen sehen längst nicht mehr so wunderbar elegant und retro aus, wie ihre Vorgänger. Denn nicht nur der zauberhafte Duft, sondern auch dieser feminine Flakon hatte zur Kaufentscheidung beigetragen (das ist diese Sache mit dem Auge, das mit isst…). Es war einfach die perfekte Verbindung von Inhalt und Verpackung. Wer möchte und Glück hat, kann vielleicht dennoch einen der alten Zerstäuber in einer Parfümerie oder auch online ergattern.

Auf meiner persönlichen „Once-in-a-Lifetime-Liste“ steht jedenfalls definitiv der Besuch des Gartens von Ninfa ganz weit oben.

Wenn ihr das nächste mal mit dem Gedanken spielt, euch ein neues Parfum zuzulegen, dann lasst euch genügend Zeit mit der Auswahl. Bloß nichts überstürzen, schließlich wollt ihr lange Freude damit haben. Eine gute Parfümerie wird euch ganz sicher eine Probe mit nach hause geben, so dass ihr den Duft lange genug testen könnt, bevor ihr euch dafür oder dagegen entscheidet. In solchen Fragen neigen wir auch dazu, unsere lieben Mitmenschen nach ihrer Meinung zu fragen. In diesem Fall würde ich tatsächlich davon abraten. Es ist ausschließlich EURE Persönlichkeit, die ihr mit dem Duft unterstreichen wollt. Ich jedenfalls habe es mir abgewöhnt, auch nur irgendjemand anderen außer mich selbst zu fragen. Es würde mich nur verunsichern, wenn ich bei drei weiteren Leuten drei unterschiedliche Antworten erhalten würde. In erster Linie soll der Duft MIR gefallen. Wenn er das tut, stört es mich herzlich wenig, wie mein Umfeld darauf reagiert. Das muss mich so nehmen, wie ich dufte… haha!!

P.S. Informationen über den „Giardino di Ninfa“ gibt es hier (auf italienisch) und hier (auf deutsch)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert